Vilnius: Ein Spaziergang durch die Seele Litauens

Als die Abenddämmerung über Vilnius hereinbrach und die Sonne ihre letzten Strahlen über die belebte Stadt streute, nahm ich meine ersten tiefen Atemzüge in dieser mystischen Stadt. Die teilweise für den Verkehr gesperrten Straßen waren belebt durch Restaurants und Bars, welche die Atmosphäre mit fröhlichem Stimmengewirr und melodischen Gesängen bereicherten. Vilnius, eine Stadt, die sich der Moderne öffnet, ohne dabei ihre bewegende Geschichte zu vergessen.

Vilnius: Eine Stadt mit bewegender Geschichte

Vilnius, die Hauptstadt Litauens, hat eine tiefgreifende Geschichte zu erzählen. Die Stadt hat unter der russischen Besatzung gelitten, hat sich ihre Unabhängigkeit erkämpft und ist nun Mitglied der NATO. Teilweise sind die "alten Zeiten" im Stadtbild noch sichtbar. (Fotos: Jörg Baldin)
Vilnius, die Hauptstadt Litauens, hat eine tiefgreifende Geschichte zu erzählen. Die Stadt hat unter der russischen Besatzung gelitten, hat sich ihre Unabhängigkeit erkämpft und ist nun Mitglied der NATO. Teilweise sind die „alten Zeiten“ im Stadtbild noch sichtbar. (Fotos: Jörg Baldin)

Vilnius, die Hauptstadt Litauens, hat eine tiefgreifende Geschichte zu erzählen. Die Stadt hat unter der russischen Besatzung gelitten, hat sich ihre Unabhängigkeit erkämpft und ist nun ein stolzes Mitglied der NATO. Trotz ihrer Nähe zu Belarus, dessen Beziehungen zu Russland in jüngerer Zeit Unruhen ausgelöst haben, bleibt die Stadt entspannt und offen – vielleicht gestärkt durch das Sicherheitsnetz ihrer NATO-Mitgliedschaft.

Am 23. August 1989 organisierten die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland eine beeindruckende friedliche Demonstration, die als Baltischer Weg bekannt ist. Rund zwei Millionen Menschen bildeten eine nahezu 600 Kilometer lange Menschenkette, die die Hauptstädte dieser drei Länder verband. Dieses Ereignis markierte den 50. Jahrestag des Molotow-Ribbentrop-Pakts (Hitler-Stalin-Pakt) zwischen der Sowjetunion und Nazi- Deutschland, der die Annexion der baltischen Staaten ermöglichte. Litauen stand im Zentrum dieses Ereignisses, die Menschenkette begann hier.

Die Altstadt von Vilnius: Ein UNESCO-Weltkulturerbe

Die Altstadt von Vilnius, als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt, ist ein Kaleidoskop aus verwinkelten Kopfsteinpflasterstraßen und architektonischen Meisterwerken. Jede Straße birgt eine Facette von Geschichte und jede Fassade erzählt eine stumme, aber eindringliche Geschichte. Die architektonischen Strukturen, eine exquisite Mischung aus Barock, Gotik, Renaissance und Klassizismus, verleihen der Stadt eine zeitlose Schönheit.

Spaziergang durch die Stadtgeschichte

Mein Rundgang beginnt am Kathedralplatz, dem pulsierenden Herzen der Stadt. Er liegt an der Gediminas-Allee, eine nach dem Großfürsten (1275–1341) benannte Hauptstraße. Heute ist die Allee eine beliebte Einkaufsstraße, die für den Durchgangsverkehr nachts gesperrt wird. Im Zentrum des Platzes erhebt sich die beeindruckende Kathedrale St. Stanislaus und St. Ladislaus, die auch als das litauische Pantheon bekannt ist. „Dieses Gebäude beherbergt die sterblichen Überreste vieler litauischer Großfürsten und ist der Schauplatz zahlreicher nationaler Feierlichkeiten und religiöser Veranstaltungen“, erklärt unsere Reiseführerin Daine Juodiskiene. Der dazugehörige Glockenturm, der wie ein Wächter neben dem Hauptgebäude thront, bietet einen atemberaubenden Blick auf die Stadt.

Die Universität Vilnius: Eine Bildungsstätte seit 1579

Die Universität Vilnius, gegründet 1579 von den Jesuiten und eingeweiht vom König von Polen sowie dem litauischen Großfürsten Stephan Báthory, ist die größte Universität des Landes. Sie zählt zu den ältesten Bildungseinrichtungen in Mittel- und Nordeuropa, an der seit über 400 Jahren Lehre, Forschung und Arbeit stattfinden. Die theologische Fakultät der Vilniaus Universitetas wurde europaweit für ihre fortschrittliche Wissenschaft anerkannt. Heute umfasst die Universität zwölf Fakultäten, acht Institute und zehn Studien- und Forschungszentren und genießt einen internationalen Ruf unter Studierenden und Wissenschaftlern.

Auf zur nächsten Etappe: Rathausplatz und Präsidentenpalast

Unsere Tour führt uns weiter zum Rathaus und zum Rathausplatz. Der Platz ist ein beliebter Ort für Stadtfeste und Märkte und ist von beeindruckenden Gebäuden umgeben. Um den Platz herum gibt es zahlreiche Cafés und Restaurants, wo man bei einem Kaffee oder einem Glas des hervorragenden litauischen Biers das pulsierende Leben der Stadt beobachten kann. Das weiße Rathaus selbst, ein klassizistisches Meisterwerk, dient heute als repräsentativer Veranstaltungsort für die Stadt Vilnius.

Der Präsidentenpalast ist bis heute der Arbeitsplatz des litauischen Präsidenten.
Der Präsidentenpalast ist bis heute der Arbeitsplatz des litauischen Präsidenten.

Das nächste Ziel ist der Präsidentenpalast, ein elegantes neoklassizistisches Gebäude, das die Macht und Würde des litauischen Staates symbolisiert. Im Laufe der Jahrhunderte war er Schauplatz zahlreicher bedeutender historischer Ereignisse und ist bis heute der Arbeitsplatz des litauischen Präsidenten.

Die Republik Užupis: Bohème-Viertel und Künstlerheimat

Nur einen Steinwurf entfernt liegt die Republik Užupis, ein selbsternanntes „Künstlerviertel“ voller Graffiti-Kunst, skurriler Skulpturen und Bohème-Cafés. Užupis erklärte sich 1997 zur unabhängigen Republik und hat sogar eine eigene Verfassung, die an einer Mauer in 24 Sprachen, einschließlich Esperanto und Sanskrit, angebracht ist. Dieser kreative Freigeist spiegelt sich auch in den charmanten Boutiquen, Galerien und Ateliers wider, die die engen Gassen beleben.

Das „Montmartre von Vilnius“ ist eine Enklave für Künstler und freie Geister. Ein Spaziergang durch die engen, gewundenen Gassen ist wie ein Ausflug in ein künstlerisches Wunderland, gespickt mit Skulpturen, Street Art und verspielten Brunnen. Einen Besuch wert ist auch der „Engel von Užupis“, eine Skulptur, die als Symbol des Stadtviertels gilt.

Užupis, einst das Zentrum der jüdischen Gemeinschaft in Vilnius, ist heute ein lebendiges Zentrum für Street Art. Die stummen Mauern erzählen Geschichten des einst blühenden jüdischen Lebens und der Tragödien des Holocaust. Beeindruckende Graffiti, die jüdische Männer, Frauen und Kinder darstellen, sind Tribut an über 200.000 Seelen, die im Krieg verloren gingen. Nach Jahren des Leidens, als Užupis eine Parallelwelt voller Kriminalität und Elend bildete, hat sich das Viertel verändert. Nach der Unabhängigkeitserklärung Litauens 1990 begann die Metamorphose. Die heruntergekommenen Gebäude sind nun Leinwände für Künstler, die das Viertel in eine farbenfrohe Galerie verwandeln. Užupis, einst vergessen, ist nun ein symbolischer Ort der Erinnerung und Kreativität.

Vilnius: Eine Stadt zwischen Vergangenheit und Zukunft

Abends, wenn die Straßenlaternen die Stadt in ein goldenes Licht tauchen und die Dunkelheit einkehrt, kommt Vilnius wirklich zur Geltung. Überall duften die Restaurants nach köstlichen litauischen Gerichten. Von traditionellen Speisen wie „Cepelinai“, Kartoffelklößen gefüllt mit Fleisch, bis hin zu modernen Fusion-Gerichten, die kulinarische Szene von Vilnius ist genauso vielfältig wie seine Architektur. Junge Leute strömen in die Bars und Clubs, um die Nacht zu feiern, während die älteren Generationen sich in den zahlreichen Cafés und Teestuben entspannen, sofern sie es sich lesten können. Die durchschnittliche Rente in Litauen ist sehr gering.

Abends, wenn die Straßenlaternen die Stadt in ein goldenes Licht tauchen und die Dunkelheit einkehrt, kommt Vilnius wirklich zur Geltung.
Abends, wenn die Straßenlaternen die Stadt in ein goldenes Licht tauchen und die Dunkelheit einkehrt, kommt Vilnius wirklich zur Geltung.

Vilnius ist tief in ihrer reichen Geschichte verwurzelt, während sie gleichzeitig selbstbewusst in die Zukunft blickt. Sie ist eine dynamische, moderne Stadt, die von der Energie und dem Idealismus ihrer jungen Bevölkerung angetrieben wird. Als NATO-Mitglied steht Vilnius trotz der geopolitischen Spannungen in der Region sicher da. Jedes Detail erzählt eine Geschichte und ist ein lebendiges Zeugnis dafür, wie eine Nation ihre Vergangenheit ehren und gleichzeitig ihre Zukunft mit Zuversicht gestalten kann. Sauberkeit und gute Pflege tragen zusätzlich zu ihrem unverwechselbaren Charme bei.

Tipps für einen Vilnius-Besuch

Anreise: Direkte Verbindungen nach Vilnius sind von diversen deutschen Flughäfen verfügbar, darunter Frankfurt am Main, Bremen und Berlin.

Ideale Reisezeit: Ein Ausflug nach Vilnius kann vom Frühjahr bis zum Herbst unternommen werden. Die Temperaturen sind von Juni bis August am erträglichsten. Im Winter könnte es ziemlich frostig sein

Unterkunft: Congress Avenue Hotel, Gedimino pr. 12, 01103 Vilnius

Restauranttip: Gaspars, Chef und Besitzer Gaspar Fernandes wurde in Goa (Indien) geboren. Seine portugiesischen Großeltern waren die Inspiration dafür, wie heute seine bemerkenswertesten kulinarischen Kreationen aus den reinsten Zutaten entstehen

Sehenswert: Lukiškės-Gefängnis – Das Gefängnis, das 1904 eröffnet und ursprünglich für 1.200 Menschen konzipiert wurde, beherbergte zu Spitzenzeiten bis zu 9.000 Insassen. Es ist fast unglaublich, dass das Gefängnis erst am 2. Juli 2019 offiziell geschlossen wurde. Was einst ein Ort des Grauens war, ist heute eine seltsame Mischung aus historischem Denkmal und modernem Veranstaltungsort.


Hinweis in eigener Sache: Dieser Artikel wurde teilweise von Reiseveranstaltern, Restaurants, Hotels, Fluggesellschaften und/oder Tourismusagenturen unterstützt. Wir legen größten Wert auf unabhängige und neutrale Berichterstattung; daher entsprechen die Meinungen, Eindrücke und Erfahrungen der jeweiligen Autoren ihren persönlichen Ansichten.

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Jörg Baldin
Jörg Baldinhttps://www.travelmagz.de
Jörg Baldin, Chefredakteur und Gründer vom Reisemagazin TRAVELMAGZ (powered by Breitengrad53), hat 2011 seine wahre Berufung gefunden: Urlaub machen und darüber schreiben! Seitdem hängt er ständig am Flughafen ab, packt seinen Koffer in Rekordzeit und erkundet die Welt. Ob am Strand, im Wald oder auf dem Berg - Jörg fühlt sich überall zu Hause. Kein Wunder, dass er immer eine Extra-Portion Sonnencreme dabei hat, um die schönsten Sonnenuntergänge am Strand zu genießen. Wenn es nach ihm geht, könnte die Welt ruhig noch ein paar mehr Strände vertragen - denn für Jörg gibt es nichts Besseres, als den Sand zwischen den Zehen zu spüren und den Wind um die Nase wehen zu lassen.