Wir sind immer in Angst, dass morgen der nächste Krieg beginnt. Deshalb leben wir im Hier und Jetzt, genießen jeden Tag, als sei es der letzte in Frieden.“ Der Taxi-Fahrer, der uns vom Flughafen Ben Gurion zu unserem Hotel fährt, ist 55, 58, vielleicht 60 Jahre alt. Ähnlich fatalistisch hören sich viele Israelis an, mit denen wir in den zehn Tagen Anfang Mai sprechen.
Viele empfinden ihr Leben im Heiligen Land als Geschenk
Viele von ihnen, ältere und junge, insbesondere jüdischen Glaubens empfinden ihr Leben im Heiligen Land, das seit 70 Jahren von Unruhen und Bedrohungen, Raketen und Panzern geprägt ist, als Geschenk. Touristen werden mit Freundlichkeit, Interesse und Stolz empfangen. Selbst in diesen Tagen, an denen im Westjordanland wie im Gazastreifen gekämpft und getötet wird, ist Israel eine Reise wert.
Die Ausgangssituation war die wohl schwierigste in der Geschichte eines Staates überhaupt: Am Nachmittag des 14. Mai 1948 ruft der Politiker Ben Gurion im Stadtmuseum von Tel Aviv den Staat Israel aus, nur ein paar Stunden später wird das Land von Ägypten, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien angegriffen.
Israel hat keine natürlichen Ressourcen
Israel befindet sich direkt nach seiner „Geburt“ im Krieg. Das Land, das keine natürlichen Ressourcen besitzt, weder Erdöl noch Erdgas, Eisen, Gold, Kohle, Holz oder Wasser, muss seine finanziellen Mittel statt in den Aufbau seiner Wirtschaft und des Fremdenverkehrs in seine Verteidigung stecken. Erst nach und nach entwickelt sich der Tourismus, dann aber mit großem Erfolg.
Vor allem die junge, erst 1909 gegründete kosmopolitische Metropole Tel Aviv, auf Hebräisch „Hügel des Frühlings“, ist heute eine Touristen-Hochburg. Der Rothschild-Boulevard ist eine repräsentative Prachtmeile, die Sheinkin Street die interessanteste Adresse für Mode, Schmuck und Lederwaren und die Promenade am kilometerlangen Pulversand-Strand, die seit zwei Jahren aufwendig umgebaut wird, der Laufsteg der hippen, jungen Bewohner der Stadt, von denen gefühlt jeder zweite mit einem E-Bike unterwegs ist. Die Gastronomie- und Club-Szene ist bunt und laut. Juden, Araber und Palästinenser leben in der Metropole meist friedlich und fröhlich zusammen. Aber: Tel Aviv ist nicht Israel, sondern ein Land für sich. Hier herrscht Lebenslust, unpolitischer Hedonismus. Die Bewohner gehen eher an den Strand als in die Synagoge.
Tel Aviv ist attraktiv wie New York oder London
Kamen vor zehn Jahren noch sechs von zehn Touristen mit organisierten Gruppenreisen nach Tel Aviv, sind es heute nur noch 15 oder 20 Prozent. Für Individualreisende ist die Stadt am Mittelmeer so attraktiv wie New York oder London. Es gibt sehr gute Hotels – teuer! – und unzählige private Airbnb-Apartments, trendige Bars und Cafés an jeder Ecke. Ein Muss ist ein Besuch der Altstadt. In Old-Jaffa stand die Wiege Tel Avivs. Von hier zogen vor 110 Jahren die ersten Einwohner in die vor den Mauern der Siedlung liegenden Dünen.
Ein Bummel über den berühmten Flohmarkt, durch die Galerien und Boutiquen in Old-Jaffa macht Spaß und inspiriert. Und in einem Restaurant wie dem „The Old Man & The Sea“ im Hafen zu speisen kommt einer Orgie für den Gaumen gleich. 15 bis 20 kleine Schüsseln mit Hummus und Falafel, Medjool-Datteln und Schakschuka, ein Gericht aus Eiern mit frischen Tomaten und Gewürzen, werden schon vor der Bestellung des Gastes auf den Tisch gestellt. Dann erst fragt der Kellner, ob man dazu Fisch oder Fleisch essen möchte. Es sind die frischen Zutaten und die Art der Zubereitung, die Israels Küche und die der ganzen Region einzigartig machen.
Die nettesten Leute lernen wir im „Weißen Viertel“ kennen
Die nettesten Leute lernen wir im „Port Sa´id“ in der Har Sinai Street 5 im „Weißen Viertel“ Tel Avivs kennen. Das Restaurant landet bei Befragungen regelmäßig unter den fünf oder zehn besten Esslokalen der Stadt. In diesem Quartier stehen rund 4.000 Häuser, die vorwiegend in den 1930er Jahren im Internationalen Stil (viele Bauhaus-Elemente) errichtet worden sind. Ein Großteil der Architekten waren deutschstämmige Juden, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Deutschland Richtung Israel verließen. Die Bezeichnung „Weißes Viertel“ rührt aus den weiß getünchten Fassaden, die sich deutlich von den vorhandenen Baustilen der damaligen Zeit unterschieden. 2003 wurde der Stadtteil zum Unesco-Welterbe ernannt.
Während unserer Reise blieb es ruhig in Tel Aviv
Während unserer Reise blieb es ruhig in Tel Aviv. Von den aktuellen Unruhen, ausgelöst durch die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, die viele Araber als Provokation empfinden, und den 70. Jahrestag des „Nakba“ – der 15. Mai 1948 gilt als Beginn der Flucht und Vertreibung von rund 700.000 arabischen Palästinensern aus dem früheren britischen Mandatsgebiet – war in der Metropole am Meer nichts zu spüren. Doch das leichte, schöne Leben hier kann sich schnell verändern. 2014 flogen Raketen aus dem Gazastreifen auf die Stadt. Wenn Alarm ertönt, bleiben den Menschen, Bewohnern wie Touristen, 60 Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen. Im Sommer 2016 erschossen zwei Palästinenser im Viertel Sarona vier Israelis.
Die Menschen in Tel Aviv feiern das Leben
Fazit: Tel Aviv übt eine ungeheure Strahlkraft aus. Die Menschen – wie unser Taxi-Fahrer- feiern das Leben, obwohl sie das Chaos umgibt. Acht oder zehn Tage auf dem „Hügel des Frühlings“ wirken inspirierend und entspannend. Um sich ein Bild vom gesamten Land machen zu können, muss man aber mindestens auch die Altstadt von Jerusalem und die Hafenstadt Haifa besuchen, auf den Tafelberg von Masada klettern, auf dem sich die Festung von König befindet, und sich einmal im Toten Meer (Salzgehalt: bis zu 33 Prozent. Mittelmeer: 3,8 Prozent) treiben lassen. Mindestens.
Hinweis in eigener Sache: Dieser Artikel wurde teilweise von Reiseveranstaltern, Restaurants, Hotels, Fluggesellschaften und/oder Tourismusagenturen unterstützt. Wir legen größten Wert auf unabhängige und neutrale Berichterstattung; daher entsprechen die Meinungen, Eindrücke und Erfahrungen der jeweiligen Autoren ihren persönlichen Ansichten.
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