Als ich das Lukiškės-Gefängnis erreiche, erfasst mich eine beklemmende Stimmung – das spürbare Erbe einer derart tragischen Vergangenheit. Es ist kaum zu fassen, dass dieses imposante Gebäude mit seinem düsteren Antlitz einen so starken Kontrast zur sonst so bezaubernden Altstadt bildet und einst Ort des Schmerzes für unzählige Seelen war.
Letzte Hinrichtung erfolgte am 12. Juli 1995
Als ich durch das schmiedeeiserne Tor schreite und die markante Fassade des Lukiškės-Gefängnisses erblicke, sehe ich ein Gebäude, das noch immer das Stigma seiner beängstigenden Vergangenheit trägt. Das Gefängnis, das 1904 eröffnet und ursprünglich für 1.200 Menschen konzipiert wurde, beherbergte zu Spitzenzeiten bis zu 9.000 Insassen. Es ist fast unglaublich, dass das Gefängnis erst am 2. Juli 2019 offiziell geschlossen wurde. Was einst ein Ort des Grauens war, ist heute eine seltsame Mischung aus historischem Denkmal und modernem Veranstaltungsort.
In den 90er Jahren waren die postsowjetischen Länder von Mangel und Kriminalität geprägt. Der Journalist Vitas Lingys, Gründer der Zeitung „Respublika“, wurde am 12. Oktober 1993 in Vilnius wegen seiner Recherchen zur „Vilnius-Brigade“, einer kriminellen Organisation, ermordet. Boris Dekanidse, der Boss dieser „Brigade“, wurde als Auftraggeber des Mordes verurteilt und am 12. Juli 1995 im Vilniuser Lukiškės-Gefängnis hingerichtet. Es handelte sich dabei um das letzte Todesurteil in Litauen vor der Abschaffung der Todesstrafe im Jahr 1998.
Ein Rundgang durch die düsteren Korridore und Zellen, in denen die Spuren der Vergangenheit noch immer spürbar sind, lässt keinen Zweifel daran, dass das Leben in Lukiškės ein täglicher Überlebenskampf war. Man kann förmlich die Qualen und das Leid spüren, das die Mauern dieses Ortes ertragen mussten. Es herrscht eine beklemmende Atmosphäre, die einen unweigerlich in ihren Bann zieht, insbesondere in den Bereichen, in denen die sehr alten Spuren der Inhaftierten noch in den Mauern sichtbar sind.
Das Lukiškės-Gefängnis ist ein Ort, den man nicht so leicht vergessen kann
Das Lukiškės-Gefängnis hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Es erzählt Geschichten von Entbehrungen und Hoffnungslosigkeit, die tief bewegen. Aber es gibt auch Geschichten von Widerstand und Überlebenswillen, die mindestens ebenso beeindruckend sind.
Es ist wohl kein Zufall, dass die düstere Atmosphäre und die beeindruckende Architektur des Lukiškės-Gefängnisses die Produzenten der Netflix-Serie „Stranger Things“ dazu inspiriert haben, einige Szenen der vierten Staffel hier zu drehen. Die steinernen Mauern, verrosteten Zellen und düsteren Gänge verleihen den Szenen eine beunruhigende Authentizität, die perfekt zur mysteriösen Atmosphäre der Serie passt.
Nicht ohne Kontroverse: Schlüsselszenen mit Hopper, dem ehemaligen Polizeichef von Hawkins, der in einem russischen Lager gefangen gehalten und gefoltert wird, wurden tatsächlich in diesem Gefängnis gedreht. Es ist der gleiche Ort, an dem während des Nationalsozialismus jüdische und Roma-Kriegsgefangene eingesperrt und getötet wurden. Beim Ponary-Massaker wurden über 100.000 Menschen, hauptsächlich Juden, aber auch Russen und Polen, zwischen 1941 und 1944 in einem Wald südwestlich von Vilnius ermordet. Deutsche SD- und SS-Truppen führten diese Massaker während des Zweiten Weltkriegs im Kontext des Holocaust im Reichskommissariat Ostland durch. Die meisten Opfer waren zuvor im Lukiškės-Gefängnis inhaftiert.
Heute ist das Gefängnis ein Kulturzentrum und ein Ort der Begegnung
In den letzten Jahren hat das Lukiškės-Gefängnis eine bemerkenswerte Wandlung vollzogen. Heute ist es ein Kulturzentrum und ein Ort der Begegnung, in dem regelmäßig Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Im Rahmen des Projekts „Lukiškių kalėjimas 2.0″ (Lukiškės-Gefängnis 2.0) arbeiten hier bis zu 250 Kreative und Künstler. Die Live-Musik, die nun durch die Korridore und Zellen des Gefängnisses hallt, scheint ein Gegengewicht zur bedrückenden Stille und Dunkelheit der Vergangenheit zu bieten. Sie befreit die alten Mauern von ihrem Leid und haucht ihnen neues Leben ein. Das musikalische Angebot ist vielfältig und reicht von Jazz über Rock bis hin zu elektronischer Musik.
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